Die Experten äusserten sich am Rande der Präsentation des alle vier Jahre anstehenden Staatenberichtes des UNO-Komitees zur Beseitigung von Rassismus. Der letzte Bericht zur Schweiz war 2008 gemacht worden. Es war das erste Mal seit dem Urnengang vom Sonntag, dass sich die Schweiz vor einem UNO-Menschenrechtsorgan präsentieren musste.
Man wolle nun nicht eine moralisierende Haltung einnehmen, könne aber das Bedauern für das Resultat vom Sonntag trotzdem zum Ausdruck bringen, erklärte am Freitag der Belgier Marc Bossuyt, einer der 18 Experten des UNO-Komitees. «In den kommenden Jahren werden viele Personen die schädlichen Auswirkungen dieser Abstimmung zu spüren bekommen», erklärte er vor den Medien.
Gleichzeitig gab der EU-Experte aber zu bedenken, dass die Europäische Union (EU) eine Lektion aus dem Schweizer Verdikt ziehen könne. Sie solle mehr darüber nachdenken, wie sie die Politik des freien Personenverkehrs in der Praxis umsetze. Dabei verwies er auf die Gefahr einer exzessiven Liberalisierung der Einwanderung und dass Regulierung und begleitende Massnahmen deshalb nötig seien.
Der amerikanische Vertreter Carlos Manuel Vazquez bedauerte, dass die Schweizer Behörden in der Abstimmungskampagne nicht genügend auf die mit der Initiative verbundenen Auswirkungen auf die internationalen Verpflichtungen der Schweiz hingewiesen hätten. «Die Schweiz ist keine Insel, sie ist in die internationalen Normen eingebunden» sagte Vazquez inGenf.
«Wenn die EU verhindern will, dass sich zwischen Bürgern und Behörden keine Gräben auftun, muss sie einige Punkte ihrer Einwanderungspolitik mässigen», glaubt der UNO-Experte. Er rief zu einer verstärkten Wahrnehmung der Ängste der europäischen Bürgerinnen und Bürger auf, damit in Europa kein Klima der Diskriminierung gegenüber Ausländern in Europa wachse.
Die Irländerin Anastasia Crickley, Berichterstatterin für die Schweiz und Vizepräsidentin des Komitees, zeigte sich speziell beunruhigt über die Auswirkungen der Abstimmung vom Sonntag auf die Rechte von Migranten in der Schweiz. Sie appellierte an die Schweiz, die UNO-Konvention über Wanderarbeiter und diejenige der ILO über Hausangestellte zu ratifizieren.
Sie wünscht sich auch, dass die Schweiz auf der Bundesebene eine Gesetzgebung gegen den Rassismus annimmt und auch eine nationale Institution für Menschenrechte einrichtet. Angesprochen wurde von den UNO-Experten auch die Vereinbarkeit von Völkerrecht und Volksinitiativen. Dabei kamen etwa die Minarett-Abstimmung und die Ausschaffung von kriminellen Ausländern zur Sprache.
Der Chef der Schweizer Delegation , Botschafter Jürg Lindenmann, wich der Problematik nicht aus. Die Vereinbarkeit von Völkerrecht und Volksinitiativen habe ihr Aktualität nicht verloren. Die Schweiz befasse sich mit dem Thema, versicherte der Vizedirektor der Direktion für Völkerrecht im EDA.
Die Schweizer Delegation bestand aus Beamten des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), des Eidg. Departements des Innern (EDI) sowie Vertreter von Kantonen. Die Gespräche gehen am kommenden Montag weiter. (SDA)