Frankreich
rät Frauen mit Brustimplantaten der Firma PIP, diese zu entfernen. In Genf
haben Betroffene eine Klage gegen den Hersteller eingereicht, der 2010 in
Konkurs ging. Die Schweizer Behörden sind zurückhaltend und warten Entscheide
der EU ab.
Swissmedic,
die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel, hat bisher
keine Empfehlung herausgegeben, wonach sich betroffene Frauen in der Schweiz
Implantate von Poly Implant Prothese (PIP) operativ ersetzen lassen sollten.
Auch die britischen Behörden nehmen bisher diese Haltung ein.
In
Frankreich dagegen rufen die Gesundheitsbehörden die Betroffenen just zu diesem
Schritt auf, nachdem Hüllen der Silikonkissen gerissen waren. Dies nachdem
festgestellt worden war, dass das seit 2010 konkursite französische Unternehmen
für die Brustvergrösserungen und –prothesen Industrie-Silikon verwendet hatte.
Dieses hatte der Hersteller nicht auf die Verwendung als Implantate prüfen
lassen.
In der
Schweiz sind die Frauen, die 95c angehören, über die Risiken derart beunruhigt,
dass sie bei der Genfer Staatsanwaltschaft Klage gegen PIP eingereicht haben.
Der Name 95c steht für eine Brustgrösse.
Gegenstand
der Klage ist der Verkauf von schadhaften Brustimplantaten in der Schweiz.
Dadurch sei die Gesundheit der Trägerinnen gefährdet.
Weltweit
sind 300'000 Frauen betroffen, ein Zehntel allein in Frankreich. Auch die Behörden
Deutschlands, Tschechiens, der Niederlande und Venezuelas raten Betroffenen zur
präventiven Entfernung.
Wut
"Die
Haltung von Swissmedic, dass es sich nicht um ein sehr ernstes Problem handle
und nur wenige betreffe, machte jene Frauen sehr wütend, die ein echtes Problem
haben", sagt die Genfer Politikerin Salika Wenger, welche 95c gründete.
Sie kennt einen Fall, in dem Implantate gerissen und Silikon in den Körper der
Frau gelangt sei.
"95c
umfasst nur einige Dutzend Frauen. Aber seit es uns gibt, haben wir viele
Anrufe und Mails von Betroffenen erhalten, die ebenfalls Mitglied werden
wollen", sagt Wenger gegenüber swissinfo.ch.
"Swissmedic
hat die Aufgaben nicht gemacht, denn es ist der Job der Behörde, abzuklären, ob
ein Produkt zugelassen werden kann oder nicht." Die Behörden generell,
aber insbesondere die Regierung, nähmen ihre Verantwortung nicht genügend wahr,
so Wenger.
Hauptsächliche
Aufgabe von Swissmedic ist die Kontrolle darüber, ob ein neues Medikament für
den Schweizer Markt freigegeben werden kann. Medizinische Bestandteile aber, zu
denen Brustimplantate zählen, fallen unter bilaterale Regelungen mit der EU.
So wurden
die PIP-Implantate von einer Kontrollbehörde mit Sitz in Deutschland
freigegeben. Dafür bürgt das Gütesiegel "CE mark", das besagt, dass
das Produkt den Gesetzen der Europäischen Kommission über Gesundheit und
Sicherheit entspricht.
Produkte mit
dem Zeichen "CE mark" können in der ganzen EU ohne weitere Prüfungen
gehandelt werden. "Swissmedic kontrolliert solche Produkte kein zweites
Mal. Hat die europäische Kontrollbehörde grünes Licht gegeben, können Ärzte das
Produkt kaufen und verschreiben oder verwenden", sagt Sprecher Daniel
Lüthi.
Erweisen
sich Produkte als schadhaft, informiert Swissmedic betroffene Patienten über
allfällige Probleme. Dies sei auch im Fall PIP geschehen, so Lüthi.
EU reagiert
Das
aktuelle System übertrage den Ärzten grosse Verantwortung, betont Lüthi.
"Sie müssen wissen, was sie einsetzen und was sie entfernen". Diese
Haltung dürfte sich aber durch den Skandal um die schadhaften Brustimplantate
ändern. "Ich sehe dringenden Bedarf, die gesetzlichen Bestimmungen für
medizinische Produkte denjenigen für Medikamente anzupassen", sagte Guido
Rasi, der neuer Chef der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA).
Tatsächlich
hat die EU-Kommission strengere Bestimmungen zur Regulierung medizinischer
Produkte angekündigt. Dazu gehören höhere Hürden für vorgängige Versuchsreihen
und eine genauere Überwachung des Marktes. Die EU-Gesundheitsminister sollen
noch in diesem Jahr darüber beraten. Erteilen sie grünes Licht, werde die
Schweiz die strengeren Bestimmungen übernehmen, sagt Daniel Lüthi von
Swissmedic.
Jessica
Dacey, swissinfo.ch
(Übertragung
aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
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