Das unabhängige Forum Aussenpolitik «foraus» kommt in seinem Diskussionspapier zum Schluss, dass Schweizer Entwicklungshilfe die Migration in Ländern mit mittlerem Einkommen fördern kann.
«Einsetzendes Einkommenswachstum ermöglicht erst die Finanzierung der Migration und kann die Auswanderung stimulieren», heisst es im 65 Seiten starken Bericht. Damit werde ein enormes Migrationspotenzial ignoriert, das mit wirtschaftlicher Entwicklung armer Staaten verbunden sei.
«Typische Länder mit mittlerem Einkommen und hoher Auswanderung sind beispielsweise Georgien, Tunesien und die Ukraine», sagt Vera Eichenauer von der Abteilung Entwicklung und Zusammenarbeit der Organisation «foraus».
Nigeria ist ein typisches Beispiel
Als Beispiel wird im Bericht Nigeria analysiert. «Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Es sorgte in der Schweizer Debatte um Migration in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen. In den Jahren 2009 und 2010 sind in der Schweiz aus keinem Land so viele Asylgesuche eingegangen, wie aus Nigeria, 2011 war Nigeria hinter Eritrea und Tunesien das Herkunftsland Nummer 3 im Asylbereich,» steht im Bericht.
Gleichzeitig sei die Anerkennungsquote der Nigerianer als Flüchtlinge verschwindend klein. «Nigeria hat sich in den vergangenen Jahren politisch etwas stabilisiert, weshalb anzunehmen ist, dass hinter der starken Zunahme der Migration aus Nigeria in aller Regel wirtschaftliche Gründe stehen,» schreiben die Analytiker von foraus weiter.
«Entwicklungsarbeit muss nicht Migration verhindern»
Das Aussendepartement (EDA) zeigt sich unbeeindruckt über die foraus-Studie.
«Es ist nicht das Ziel der Entwicklungsarbeit, Migration zu verhindern», sagt EDA-Sprecher Stefan von Below. «Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit zielt in erster Linie auf die Minderung der Armut vor Ort.»
Armut, Perspektivlosigkeit, wirtschaftliche Instabilität, aber auch Konflikte sind laut EDA-Sprecher von Below wichtige Gründe für eine Flucht.
«Zwar kann Entwicklungszusammenarbeit allein Migration nicht grundsätzlich verhindern. Doch mit den Programmen zur Armutsverminderung und für eine nachhaltige Entwicklung wirkt die Entwicklungszusammenarbeit auf ihre Ursachen ein. Insofern vermindert die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Herkunftsländern den Druck zur Migration», so die Argumentation aus dem EDA.
Deza: Alles bleibt, wie es ist
Mit anderen Worten: Für die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (Deza) gibt es keinen Grund, ihre Strategien zu überdenken.
Rückendeckung gibt Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne ZH). Heute äussert er sich dazu in seinem Blog: «Ist dies nun wirklich ein Grund, die Entwicklungszusammenarbeit zu hinterfragen? Nein. Denn einerseits ist die Armutsbekämpfung ein Ziel für sich, das wir weiter verfolgen sollten. Zweitens sollte unsere Entwicklungszusammenarbeit auch darauf hin ausgerichtet sein, dass die riesigen Einkommens- und Vermögensscheren in den unterstützten Ländern und Regionen kleiner werden.»